Ich sehe dich und deinen Schmerz

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Ich sehe dich und deinen Schmerz

Vor ein paar Tagen musste ich plötzlich weinen als ich abends ins Bett ging.
Was genau das ausgelöst hat, weiß ich nicht. Aber ich war dankbar dafür.

Ich spürte Schmerz, der in meiner Kindheit entstanden ist.
Schmerz, den ich bisher von mir weggeschoben habe.
Schmerz, den ich heute – endlich – (aus)halten kann.

Schmerz, den ich früher ausblenden musste, um zu überleben.
Schmerz, von dem ich in den letzten Jahren nicht mal wusste, dass es ihn gibt. Dass er immer noch in mir ist.
War doch alles gar nicht so schlimm oder? Andere hatten es viel schwerer.

Doch der Schmerz ist da. Und heute kann ich ihn fühlen. Kann ihn fühlen, ihn zulassen. In ihn eintauchen, um ihn endlich zu durchleben. Damit er dann gehen kann. Damit ich loslassen kann. Damit ich heilen kann. Damit ich vergeben kann, mir und anderen. Damit es sich in mir ordnen kann und damit ich wieder ein Stück befreiter bin.

Inhaltsverzeichnis

Wir dürfen den alten Schmerz zulassen und dahinter schauen

Dieser Teil in mir, der den Schmerz immer in mir verschlossen hat, darf und kann sich endlich öffnen. Ich öffne mich ein Stück mehr dem Leben, der Welt.

Ich entscheide neu, was zu mir gehört, was ich weiterleben und was ich verändern will. Weil ich nun sehen kann, warum ich bisher so entschieden und gehandelt habe.
Es war keine freie Entscheidung, sondern aufgrund des Schmerzes, der Erfahrungen, die ich gemacht habe. Aufgrund der Überzeugungen, die sich für mich als funktionierend und sicher erwiesen hatten.

Und wer bin ich ohne diese Überzeugungen? Ohne dieses Verhalten? Ohne die zusammengetackerte äußere Hülle, um die ich immer gekämpft habe, ohne mir dessen bewusst zu sein?

Wer bin ich, wenn ich diese Hülle loslasse? Wenn ich aufhöre, darum zu kämpfen? Welche Schicht kommt darunter zum Vorschein? Welche Entscheidungen treffe ich dann?

In den letzten Monaten habe ich einiges lösen dürfen, was in meiner Kindheit entstanden ist: Tiefe Glaubenssätze, Verhaltensweisen (Coping-Mechanismen), Gefühle, Schmerz. Es hat einen Zusammenhang bekommen, ich habe die Ursache gefunden, konnte verstehen, verändern, loslassen.

Heute bin ich dankbar

Ich bin zutiefst dankbar dafür. Dankbar für meinen Mut. Mein Vertrauen. Für die Menschen, die mich durch diese Prozesse begleitet haben. Dankbar für die großen Veränderungen, die dadurch in meinem Leben entstehen durften. Ich bin dankbar für die Tools, die ich an der Hand habe, um diese Veränderungen zu bewirken. Und auch dankbar für die Erfahrungen, die ich als Kind gemacht habe.

Auch wenn es hart war, auch wenn es wehtat, auch wenn es manchmal einfach richtig scheiße war, gehört es zu mir. Und es hat mir auch wunderbare Ressourcen gegeben.

Die Verhaltensweisen, die ich mir angeeignet habe, um irgendwie durchzukommen, kann ich jetzt – nachdem ich es erkannt habe – bewusst in den Momenten und in der Art nutzen, wie sie mir und anderen helfen. Und ich kann die Momente erkennen, wo ich sie als Flucht, als Rettungsanker benutzen würde. Und mich in diesen Momenten neu entscheiden.

Ressourcen, mit denen ich heute andere Menschen begleiten kann. Und zwar richtig gut.

Wenn ich tauschen könnte, würde ich es nicht tun. Das kann ich heute sagen. Früher hätte ich das sicher nicht gesagt. Und es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass ich den Schmerz spüre. Aber es wird jedes Mal leichter werden. Und ich bin froh, ihn endlich spüren zu können. Denn jetzt darf er gehen. Ich darf heilen.

Was meine Geschichte mit dir zutun hat

So ziemlich jede/r von uns hat in der Kindheit Erfahrungen gemacht, die schmerzhaft waren und die uns heute noch prägen.

Und jetzt denkst du vielleicht, dass das nur die Menschen betrifft, die eine schreckliche Erfahrung gemacht haben, wie körperliche und/oder psychische Gewalt.
Aber das stimmt nicht. Ich will diese Taten auf keinen Fall kleinreden! Sie sind schrecklich und absolut falsch. Und sie sind traumatisch.

Ich will nur sagen: Auch kleine Momente in deiner Kindheit können für dich als Kind großen Schmerz bedeutet, tiefe Glaubensmuster geprägt haben und damit dein Leben und dein Handeln heute beeinflussen.

Und du darfst auch sagen, dass es hart war. Auch wenn du nicht das Schlimmste vom Schlimmsten erlebt hast. Es gibt keinen Vergleich bei Schmerz. Es gibt keine Richtlinie, die dir vorgibt, ab wann es wehtun darf und wann nicht. Und es macht den Schmerz von anderen weder besser noch schlimmer, wenn du vor dir selbst und vielleicht auch vor anderen zugibst, dass es wehtat.

Kleine Momente können heute noch große Wirkung haben

Vielleicht haben deine Eltern ihre Versprechen nicht eingehalten. Und nun fällt es dir schwer, dich auf andere zu verlassen. Lieber alleine machen, sonst wird’s doch eh nix.

Vielleicht haben sich deine Eltern getrennt und dich hat es innerlich zerrissen, weil du das Gefühl hattest, du musst dich entscheiden. Und jede Entscheidung wäre auch eine Entscheidung gegen dich gewesen.

Vielleicht dachtest du, du bist schuld an einem Streit zwischen deinen Eltern. Und heute sorgst du immer dafür, dass alle glücklich und zufrieden sind. Damit das System stabil bleibt und weiterhin funktioniert.

Vielleicht warst du als Baby eine Weile von deinen Eltern getrennt, z.B. im Krankenhaus. Und heute kannst du dich nicht fallen lassen. Weil das eine riesen Enttäuschung bedeuten könnte.

Vielleicht wurdest du nicht ernst genommen. Und heute stellst du deine Bedürfnisse immer wieder zurück. Auf der Arbeit, in deiner Beziehung, in deinen Freundschaften.

Es war keine Absicht

Nichts davon war Absicht. Vielleicht war es Überforderung. Die eigenen Muster deiner Eltern, die Hilflosigkeit mit den eigenen Emotionen umzugehen, weil auch deine Eltern Prägungen aus ihrer Kindheit haben. Weil sie vielleicht ähnliche Situationen erlebt haben und ihre Glaubenssätze ihnen gar nicht bewusst sind.

Und doch tat es weh, Absicht oder nicht. Und doch war es scheiße. Und doch beeinflusst es dich noch heute. Auch wenn es von außen betrachtet nur eine kleine Situation war.

Es ist okay, dass es dir wehtat.
Und es ist okay, dass du den Schmerz damals wegdrängen musstest.
Es ist okay, jetzt hinzusehen.

Du bist okay. So wie du bist.
Und jetzt bist du sicher. Du bist jetzt in der Lage, es zu fühlen, um es loszulassen.
Genauso wie ich.

Und wir dürfen das gemeinsam tun. Ich muss nicht alleine dadurch. Du auch nicht.

Ich begleite dich auf deinem Weg. Ich sehe deinen Schmerz und ich unterstütze dich dabei, ihn loszulassen. Damit du wieder frei entscheiden kannst, ohne die Prägungen deiner Erfahrungen.

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